In den vergangenen Tagen ist in meiner Community immer wieder das Thema Kaufschrift aufgepoppt. Soll man? Warum soll man? Und warum sollte oder soll man nicht die zahlreichen Cloudlösungen, wie z. B. von Adobe, Canva oder anderen, nutzen?
Fragen, die ich in diesem Artikel beantworten möchte. Und darum – um es mit den Zeilen einer ganz bekannten deutschen Punkband zu sagen: „Ich bin noch keine 60, und ich bin auch nicht nah dran …“ – an dieser Stelle gleich mal ein kurzer Rückblick in die, etwa, 90er-Jahre.
Als ich mir seinerzeit meinen ersten Mac gekauft hatte, war für mich klar, dass neben der Software auch die Fonts zu erwerben waren. Jeweils auf 3,5-Zoll-Floppy-Disks … um ein Schweinegeld. Aber, wenn man professionell arbeiten wollte jeden (seinerzeit) Schilling wert!
Die Zeiten vergingen und waren insbesondere die letzten Jahre von geballten Innovationen geprägt. Die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen trieben die Digitalisierung voran. Spätestens seit diesem Jahr hat Adobe die „Unterstützung“ von sogenannten Type-1-Schriften (also PostScript-Schriften) eingestellt. Als Alternative stellt Adobe nun über seine Cloud „Adobe-Fonts“ Schriften zur Verfügung. Auf einen schnellen Blick ist man als Gestalter versucht zu sagen: „Geil! Ein Schriftenuniversum einfach im Abo dabei.“ Aber … so einfach ist das nicht, denn die angebotenen Schriften kommen nicht ohne den einen oder anderen Fallstrick – und so können frühere, nicht updatefähige Fonts nicht einfach durch jene aus dem Cloud-Angebot ersetzt werden.
Daher ist es – denke ich – wichtig, sich Gedanken über den Ankauf von professionellen Schriften zu machen. Zumal dieser für Anwendungen am Computer eine Reihe von Vorteilen bietet. Sicherlich einer der wichtigsten Vorteile ist die rechtliche Sicherheit, die der Besitz von lizenzierten Schriften gewährleistet. Im Gegensatz zu kostenlosen Schriften können lizenzierte Schriften ohne Bedenken in kommerziellen Projekten eingesetzt werden, da eine Verletzung des Urheberrechts ausgeschlossen ist. Die Schriften können in Paketen gekauft werden und so steht auch der Implementierung der Fonts bei Kundenprojekten (also auf Rechnern des Kunden) nichts im Weg. Darüber hinaus sind lizenzierte Schriftarten sorgfältig geprüft und häufig von höherer Qualität als kostenlose Schriftarten.
Ein weiterer Vorteil des Kaufs von Schriften ist die gebotene, kreative Freiheit. Sprich: Eine gekaufte Schriftfamilie bietet mehr Möglichkeiten, Projekte individuell zu gestalten. Die Schriftart kann perfekt an die Bedürfnisse eines Projekts angepasst werden, da (bei Kauf der entsprechenden Pakete) alle Schriftschnitte zur Verfügung stehen.
„Hab ich doch auch bei Cloud-Lösungen!“ Ja … leider nicht. Erst kürzlich habe ich eine meier alten Type-1 Schriften bei Adobe ersetzt und siehe da … von der ganzen Schriftfamilie sind in der Cloud nur drei Schnitte verfügbar. Alle anderen – leider nicht lizensiert :-( In Bezug auf die Vielfalt der Schriftarten bieten Kaufschriften eben eine größere Auswahl an Schriftstilen und -variationen, die für bestimmte Projekte erforderlich sein können.
Darüber hinaus bieten Kaufschriften eine höhere Zuverlässigkeit und einen besseren technischen Support als kostenlose Schriften. Wenn Probleme oder Fragen auftreten, können Sie sicher sein, dass es seitens der Hersteller Unterstützung gibt. Durch regionale Niederlassungen oder Online-Support stehen diese Services zeitnah zur Verfügung. Und wenn die Schriften nicht gerade aus der digitalen Steinzeit stammen, gibt es mitunter auch verfügbare Updates.
Für den professionellen Gestalter gibt es bei den angebotenen Cloud-Lösungen aber noch andere Herausforderungen: Eine besteht darin, dass bestimmte Schriftarten von einem Anbieter gekauft und später aus dem Sortiment genommen oder kostenpflichtig gemacht werden können. In solchen Fällen kann dies zu rechtlichen Problemen führen, insbesondere wenn der Einsatz der Schriftart bereits in zahlreichen Projekten erfolgt ist. Oder wie steht es mit der Situation, dass der Anbieter seinen Dienst einstellt? Den gekauften Font kann einem keiner wegnehmen. Vielleicht wird er technisch überholt, aber wie schon geschrieben, auch dafür gibt es Lösungen.
Ein weiteres Thema kann – aus meiner Sicht – bei der Verwendung von Cloud-Schriften die Daten-Sicherheit sein: Schriftarten werden (möglicherweise) auf Servern von Drittanbietern gespeichert und können so ein mögliches Risiko (Stichwort DSGVO) darstellen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kauf von Schriften die professionellste Möglichkeit darstellt, qualitativ hochwertige und (in der jeweiligen Schriftfamilie) komplette Schriftarten zu erhalten – rechtlich abgesichert. Ich persönlich versuche, wo immer es geht, lizensierte Schriften zu verwenden – sprich auch meine Kunden vom Erwerb solcher zu überzeugen. Natürlich klappt das nicht immer und man greift auf System- oder Cloud-Lösungen zurück, aber im Regelfall bevorzuge ich die „Einmalzahlung“ mit der alle Eventualitäten abgedeckt sind ;-) Und: Kaufschriften müssen nicht teuer sein. Große Schriftfamilien sind meist für einen mittleren dreistelligen Betrag zu haben und unabhängige Schriftdesigner stellen ihre Fonts oft um noch geringere Beträge zur Verfügung.
Aus meiner Sicht zahlt sich der Erwerb von Schriften immer noch aus. Die Vorteile überwiegen und spätestens, wenn man dann doch noch einen alternativen Kursiv-Schnitt benötigt – welcher in der Cloud-Lösung nicht lizensiert wurde – bleibt einem der Kauf nicht mehr erspart. Darum rate ich gleich von Anfang an dazu.
Abschließend möchte ich euch zwei Meinungen aus meinem Kolleginnenkreis mit auf dem Weg geben. Gedanken, die ich euch zum Thema nicht voranthalten möchte:„Ich denke, es ist wichtig, Schriften zu kaufen, weil es den Designern, die die Schriften erstellt haben, Anerkennung gibt. Durch den Kauf von Schriften unterstützt man die Branche und trägt dazu bei, dass zukünftig weitere großartige Schriften entwickelt werden.“
Und mit etwas mehr „Konter“: „Ich finde, dass es in vielen Fällen nicht notwendig ist, Schriftarten zu kaufen, da es so viele großartige kostenlose Optionen gibt. Ich wähle immer die Schriftart aus, die am besten zur Marke oder zum Projekt passt, unabhängig davon, ob sie kostenlos oder kostenpflichtig ist. Es ist wichtig, eine kluge Entscheidung zu treffen, die auf den Bedürfnissen des Kunden basiert.“
PS: Ein Auswahl der Disks ziert noch heute die Wände in unserem Büro.
Autor: Max Niederschick ist strategischer Kopf, Creative Director und Grafikdesigner. Er ist bei NWP für die konzeptionelle Gestaltung verantwortlich sowie für Kreativsessions und Corporate Publishing.
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